In manchen Waldgebieten im Donau-Ries-Kreis hat die Verbissbelastung durch Rehwild abgenommen, in anderen Gebieten dagegen lasse sich nur sagen: „Oh Gott, da ist ja alles verbissen“. Zufriedenstellend ist die Situation also insgesamt noch nicht, machte Förster Michael Fürst, der den Donauwörther Stadtwald betreut, bei der Auftaktveranstaltung zum Forstlichen Gutachten am ehemaligen Truppenübungsplatz bei der Parkstadt deutlich. Auch hier zeigt sich, wie Eiche, Buche und Edellaubhölzer durch übermäßigen Verbiss am Aufwachsen gehindert werden. Ein Forst-Team des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Nördlingen-Wertingen erklärte vor Ort, wie die Forstlichen Gutachten zur Waldverjüngung durchgeführt und warum sie als Grundlage für die Planung des Rehwildabschusses herangezogen werden.
AELF-Abteilungsleiter Martin Braun, zuständig für die Forstreviere im Landkreis Donau-Ries, erläuterte im Stadtwald den Hintergrund der Forstlichen Gutachten, mit denen alle drei Jahre die Waldverjüngung kontrolliert wird. Im Stadtwald am Truppenübungsplatz befindet sich einer der über 22.000 Aufnahmepunkte in Bayern, an denen die Verbissbelastung zu Beginn der Vegetationsperiode im Frühjahr ermittelt wird. „Wir gehen dabei nach klaren Kriterien vor, die jeden subjektiven Eindruck der aufnehmenden Forstleute ausschalten“, versichert Braun. Lange muss der Förster im Stadtwald nicht suchen, bis er die aufzunehmende Waldverjüngungsfläche gefunden hat. Hier ist nahezu jede kleine Buche, Eiche oder Edellaubbäume an den Knospen abgefressen. Dadurch bleiben die für die Rehe schmackhafteren Baumarten in ihrer Höhenentwicklung zurück. Aus artenreichen und gemischten Verjüngungen können sich somit im Lauf der Jahre nur die weniger verbissenen Pflänzchen einen Höhenvorsprung sichern. Es findet eine Entmischung statt, die zu einem monotoneren Waldbestand führen kann.
Möglichst ohne Zaun
„Angepasste Wildbestände sind eine Voraussetzung für stabile und standortgerechte Wälder“, sagt Braun. Andernfalls könnten die Wälder ihre vielfältigen Leistungen und Funktionen nicht optimal erbringen, worunter auch beispielsweise die mehreren tausend Waldbesitzer im Donau-Ries leiden würden. Deshalb seien im Waldgesetz für Bayern der Grundsatz „Wald vor Wild“ und im Jagdgesetz die Regelung verankert, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes auch vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen sind. Das heißt: Die Waldbäume sollen möglichst ohne Schutzmaßnahmen, also ohne Zäune und Schutzhüllen aufwachsen können. Dafür ist allerdings eine – je nach Rehwildbestand – mehr oder weniger intensive Bejagung erforderlich. „Damit soll den Waldbesitzern ermöglicht werden, das Verjüngungspotenzial ihrer Wälder nutzen zu können“, so Braun.
Verbiss und Fegeschäden
In den Forstlichen Gutachten werden die Waldverjüngung, die Verbissbelastung durch Schalenwild und die vom Rehwild verursachten Fegeschäden erfasst und bewertet. Das wichtigste Kriterium ist dabei der Anteil der Forstpflanzen mit frischem Leit-triebverbiss. Bei der Auswahl der zu begutachtenden Flächen wird ein systematisch angelegtes Gitternetz benutzt. Pro Hegegemeinschaft werden 30 bis 40 Verjüngungsflächen erfasst. Auf jeder Fläche untersuchen die Förster entlang einer Geraden an fünf Stichprobepunkten jeweils 15 kleine Einzelbäume ab einer Höhe von 20 Zentimetern. Es werden Baumart und Höhe des Bäumchens erfasst und geprüft, ob Leittriebverbiss, Verbiss im oberen Drittel oder ein Fegeschaden vorhanden sind. Außerdem werden an den fünf Probepunkten auch bis zu fünf Bäumchen aufgenommen, die kleiner als 20 Zentimeter sind. Befinden sich am Aufnahmepunkt auch Bäumchen, die schon über die maximale Verbisshöhe hinausgewachsen sind, so wird geprüft, ob Fegeschäden vorhanden sind.
Basis für die Abschussempfehlung
Die Verbisssituation in den Hegegemeinschaften, die stets mehrere Jagdreviere umfassen, wird in vier Kategorien eingeteilt: günstig, tragbar, zu hoch oder deutlich zu hoch. Danach richtet sich dann die Abschussempfehlung: deutlich senken, senken, beibehalten, erhöhen oder deutlich erhöhen. Das Forst-Team des AELF Nördlingen-Wertingen stellt den Jagdvorständen, Eigenjagdbesitzern und Revierinhabern die Ergebnisse seiner Waldverjüngungsinventur noch vor der Anfertigung der Gutachten zur Verfügung, so dass sie dazu Stellung nehmen können. Erst im Herbst erhalten die Beteiligten das fertige Forstliche Gutachten für die Hegegemeinschaften. Auf dieser Basis können sie ihre Abschussplanung für die kommenden drei Jahre erstellen. Um die Aussagekraft der Gutachten zu ergänzen, werden bei Bedarf auch revierweise Aussagen angefertigt.
Bußgeld als letztes Mittel
Den Abschussplan legt die Untere Jagdbehörde im Donauwörther Landratsamt anhand des Forstlichen Gutachtens gemeinsam mit den Jagdvorständen und Jagdrevierpächtern fest. „Meistens können wir uns bei der Abschussempfehlung mit den Inhabern der Jagdreviere einigen“, betont Tim Huber von der Unteren Jagdbehörde. Diese könne als letztes Mittel aber auch ein Bußgeld anordnen, wenn sich ein Jagdpächter standhaft weigert, den Abschuss zu erfüllen. „Das kommt aber nur selten vor.“ Insgesamt sieht Huber bei der Waldverjüngung einen positiven Trend. Stadtförster Michael Fürst bleibt jedoch skeptisch: „Wir müssen unsere hochwertigen Forstkulturen immer noch mit Zäunen vor dem Rehwild schützen.“