Behördenleiter Dr. Reinhard Bader besucht Bergbauernhof in Tirol
Zufriedenheit auch ohne Wachstum
Einem Abstecher auf einen Tiroler Bergbauernhof machte der Leiter des AELF Nördlingen-Wertingen im Sommer 2023.
Auf dem Biobetrieb der Familie Trenkwalder in Perfuchsberg bei Landeck lernte Dr. Reinhard Bader, dass ein Landwirt auch mit der dort nicht ungewöhnlichen Betriebsgröße von fünf Hektar und einem Viehbestand von sieben Rindern ein glückliches und zufriedenes Leben führen kann. Und das trotz der schweren Knochenarbeit auf den steilen Flächen, wie der Behördenchef beim Einzäunen einer Bergweide mit viel Schweiß und noch mehr Freude spüren durfte.
Mit einem schlepperähnlichen Gefährt, das die Bergbauern Transporter nennen – Vierradantrieb, Untersetzung und niedriger Kipppunkt -, geht es steil bergauf zu einer Waldwiese auf 1500 m Höhe. Dort sollen die Rinder der Familie Trenkwalder nach dem Almabtrieb noch zwei Wochen lang weiden, bevor sie über die kalte Jahreszeit in den Stall auf dem Bauernhof wechseln. Zuvor muss die im September noch blühende Wiese aber erst einmal eingezäunt werden. Neben dem Betriebsleiterpaar Annelies und Siegfried Trenkwalder schultern auch Reinhard Bader, Annelies´ Schwester Edith und deren Freundin Patrizia die Zaunständer und Elektrodrahtrollen. Alle paar Meter werden die kleinen Kunststoffpfähle in den Boden gerammt, anschließend der Draht doppelt an den Pfählen befestigt. Schon nach wenigen Minuten im steilen Gelände ist Baders Hemd schweißgetränkt, die Tropfen perlen über sein Gesicht.
Selbstversorgung statt Gewinn
Warum sich die Bergbauern das antun, obwohl sie kaum noch Gewinn aus ihren Höfen ziehen? Siggi Trenkwalder muss nicht lange überlegen. „Mit dem, was wir mit unserem Vieh und der staatlichen Förderung erwirtschaften, können wir gerade einmal den Stallbau und die laufenden Kosten finanzieren“, erklärt der 46-jährige Betriebsleiter. „Aber wir machen das aus Leidenschaft, Verpflichtung und Tradition“, sekundiert seine Frau Annelies. „Die Mehrzahl der Bauern rund um Landeck sind kleine Nebenerwerbslandwirte und ihnen geht es nicht anders als uns. Groß investieren können nur die wenigen Haupterwerbslandwirte.“ Der Familie Trenkwalder geht es neben dem Wunsch, ihren Hof auch für die kommenden Generationen zu erhalten, vor allem um die Selbstversorgung. „Das ist unser Ziel und nicht, möglichst viel Gewinn zu machen.“
Ohne Förderung längst am Ende
Ohne ausreichende Förderung wären die kleinen Bergbauern in Tirol und mit ihnen die wunderschone Kulturlandschaft, die alljährlich tausende Touristen anlockt, längst am Ende. Was den bayerischen Bauern ihr Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), das ist für ihre Kollegen im benachbarten Alpenland das Österreichische Programm für Umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL). Ein Großteil der Fördergelder, die die Familie Trenkwalder bezieht, stammen aus diesem Topf. Dazu fließen noch Gelder aus der der AgrarMarkt Austria (AMA) und von der Stadt Landeck für die Landschaftspflege. „Diese Fördermittel bilden zwei Drittel unseres landwirtschaftlichen Einkommens“, sagt Siggi Trenkwalder.
Fehlende Arbeitskapazität bremst Wachstum
Reinhard Bader hakt hier gleich einmal ein: „Bei uns in Schwaben denkt ein großer Teil der Bevölkerung, dass die Bauern nur auf Bio umstellen müssten – und schon geht es ihnen besser. An Eurem Betrieb sieht man aber, dass das offenbar so nicht stimmt.“ Auch in Schwaben gebe es unter den kleinen Nebenerwerbsbetrieben kaum eine Tendenz zum Größerwerden. „Mangels Arbeitskapazität verspüren sie keinen Wunsch nach Wachstum.“ Die größte Herausforderung für die kleinen Bergbauern sei das Zeitmanagement, erklärt Trenkwalder. „Wir bewirtschaften allesamt mehr oder weniger steile Hanglagen, auf denen viel Handarbeit erforderlich ist. Da wird es eine Kunst, sich die Zeit für die sorgfältige Tierbeobachtung zu stehlen.“
Bescheidener Maschinenpark
Tatsächlich ist die Maschinenausstattung des Trenkwalderhofs recht bescheiden. Für den Transporter gibt es einen Ladewagenaufsatz und ein paar kleine Anbaugeräte wie ein Jauchefass, einen Miststreuer und ein Mähwerk. Außerdem steht ein kleiner, bejahrter Schlepper auf dem Hof. Die steilen Lagen werden mit einem kippsicheren Motormäher bewirtschaftet. Seit ein paar Jahren wird das Heu nicht mehr zusammengerecht, sondern mit tragbaren Gebläsen den Hang hinuntergeblasen, so dass es der Ladewagen in einer geraden Linie aufnehmen kann. Die Trenkwalders treiben 5,3 ha Bergwiesen um, dazu 0,5 ha Wald. Die Wiesen sind auf insgesamt 15 Schläge verteilt. Sie werden zweimal im Jahr geschnitten und danach, wo möglich, beweidet.
Durchschnittsbestand von zehn Rindern
Siegfried Trenkwalder hat eine Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter absolviert, bevor er sich zum Diplomingenieur (FH) für Maschinenbau weiterbildete. Im Haupterwerb arbeitet er als Lehrer an der Höheren Technischen Lehranstalt in Innsbruck und als Seilbahnkontrolleur. Seine 53-jährige Ehefrau Annelies ist als Bilanzbuchhalterin und Controllerin tätig. Die elfjährige Tochter Klara ist schon fest in den Betrieb eingebunden und kümmert sich mit Hingabe mit um die Rinder, Legehennen, Laufenten und ihren Hasen „Luise“. Zum Hof gehören derzeit drei Mutterkühe samt Nachzucht der Rasse Tiroler Grauvieh. „Im Schnitt halten die Bergbauern rund um Landeck zehn Rinder“, sagt Siggi Trenkwalder. Das können Mutterkühe, Milchvieh oder Mastvieh sein.“
Im Sommer auf der Alm
Vor fünfzehn Jahren haben die Trenkwalders den Hof von Siggis Eltern übernommen und auf Bio umgestellt. Da sie ihn mit Siggis Bruder teilen mussten, wich Siggi auf einen Bergspitz über Landeck aus, errichtete dort ein Wohnhaus, einen Stall und eine kleine Maschinenhalle am Rand einer Bergwiese. Zu 80 % vermarktet die Familie das Fleisch aus der Mutterkuhhaltung direkt, der Rest geht an das Tiroler Viehmarketing. Die Rinder stehen den Sommer über auf einer Gemeinschaftsalm bei St. Anton am Arlberg, ansonsten besteht ihr Futter aus Bergwiesengras und Heu. Kraftfutter und Mais werden ihnen nicht vorgelegt. Bis in die 1980er Jahre sei zwar im Tal rund um Landeck noch Mais angebaut worden, sagt Trenkwalder. Doch der Maisanbau gestaltete sich für die zunehmende Zahl der Biobauern technisch immer anspruchsvoller und damit kostenintensiver, so dass er bald aufgegeben wurde. Im Gebiet der Stadt Landeck gibt es derzeit noch 18 Bauern mit insgesamt 180 Rindern, sechs dieser Betrieb sind biozertifiziert.
Mit sich im Reinen
„Wenn ich die Gelegenheit hätte, einen großen Hof, wie es sie in Nordschwaben gibt, zu führen, dann würde ich das tun“, räumt Siggi Trenkwalder ein. „Aber ich bin auch zufrieden mit dem, was ich habe.“ Eine Haltung, die dem AELF-Chef aus dem schwäbischen Wertingen imponiert. Ihm gefällt an den Tiroler Bergbauernhöfen besonders das Produzieren im regionalen Kreislauf. „Die Bergbauern betrachten sich als Erzeuger von Nahrungsmitteln, als Pfleger der Kulturlandschaft und der Kultur als Grundlage nicht nur des eigenen Hofs, sondern auch des Tourismus, von dem wiederum ein Großteil der österreichischen Wirtschaft lebt.“ Sicher gebe es auch in Tirol genauso wie in Nordschwaben unzufriedene Landwirte, vermutet Bader. „Aber ich sehe an der positiven Ausstrahlung von Siggi Trenkwalder und seiner Frau Annelies, dass sie mit sich im Reinen sind.“ Im Übrigen gebe es sicher auch in Tirol einen Bedarf an Beratung, wie sie in Nordschwaben die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten anbieten, damit die Landwirtschaft attraktiv und flächendeckend erhalten bleibt.
Große Investitionen nicht zu stemmen
Immerhin, von einem Problem bleiben die Bergbauern um Landeck verschont: Die Debatte um die Roten Gebiete, wie sie in Nordschwaben immer wieder aufflammt, ist ihnen unbekannt. Auch von hohen Pachtpreisen ist hier wenig zu spüren, es gibt keinen Druck durch den Drang zum Wachstum, stellt Bader fest. Vor größere Probleme stellt die Bergbauern jedoch das in Österreich bereits geltende Verbot der reinen Anbindehaltung, räumt Siggi Trenkwalder ein. Auch im Winter muss den österreichischen Kühen ein Auslauf zu Verfügung stehen. „Das verdrängt vor allem die kleinen Rinderhalter, die sich keine Investitionen in einen Auslauf oder gar Laufstall leisten können.“ Für kleine Bergbauern wie ihn sei bereits die Investition in einen neuen Transporter mit Ladeaufsatz für insgesamt rund 150.000 € kaum mehr zu stemmen, sagt Trenkwalder. Außerdem wechselten immer mehr Molkereien zur dreitägigen Abholung, was eine Milchkühlung und damit eine Investition auf den kleinen Höfen erfordern würde. Von daher sei es kein Wunder, dass in Tirol immer mehr Milchviehhalter auf die Mutterkuhhaltung umschwenken. „Das erfordert wiederum einen ausreichenden Fleischkonsum durch die Verbraucher. Bleibt dieser aus, gehen die Bergwiesen und damit die Alpenlandschaft, wie wir sie kennen, verloren. Und dann bleiben auch die Touristen weg.“
Auch die Selbstversorgung ist ein Wert
Für Reinhard Bader ist allein schon die Selbstversorgung auf den Nebenerwerbsbergbauernhöfen ein Wert an sich. Außerdem mache der Nebenerwerb die Familien unabhängig von Gewinnen aus der Landwirtschaft. Auf der anderen Seite benötigten die Bergbauern die Wertschätzung der Verbraucher, die dazu bereit sind, zum Einkauf von Fleisch auf den Bauernhof zu fahren. „Die Tiroler Landwirtschaft ist noch sehr gut in der Gesellschaft integriert“, bestätigen die Trenkwalders. Es gebe hier auch kaum Konflikte. Allerdings nimmt auch unter die Tiroler Bauern die Sorge um Angriffe durch Beutegreifer zu. „Bei uns streifen Bären, Wölfe und Luchse herum.“
Landwirtschaft profitiert vom Tourismus
Die Lust an der Landwirtschaft lässt sich Siggi Trenkwalder von den Beutegreifern nicht nehmen. Als „Bergbauer mit Leib und Seele“ engagiert er sich als Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Landeck und in den Vorstandschaften des Viehschadensvergütungsvereins Landeck, des örtlichen Imkervereins, des Braunviehzuchtvereins und der Ortsgruppe Landeck des Tiroler Bauernbunds. Seine Frau Annelies sitzt im Vorstand der Landecker Ortsbäuerinnen. Außerdem vermietet Annelies im Nachbardorf See Ferienwohnungen in ihrem ehemaligen Elternhaus. Und so schließt sich der Kreis: Die Pflege der alpenländischen Kulturlandschaft ist die Grundlage des Tourismus und von diesem Tourismus profitieret auch die Familie Trenkwalder.
Liebe zu Natur und Tieren
Was er denn nun von seinem Abstecher auf den Bergbauernhof der Familie Trenkwalder mit nach Wertingen nimmt, wird Reinhard Bader gefragt. „Der Rückzug der Viehhaltung und die Extensivierung von Wiesen mindert den wirtschaftlichen Wert des Grünlands. Umso notwendiger ist es, dass die Gesellschaft den Erhalt solcher Flächen honoriert“, sagt Bader. „Und ich habe gesehen, dass eine Bauernfamilie auch mit einem Fünf-Hektar-Nebenerwerbsbetrieb mit sich im Reinen sein kann, weil sie um ihren Auftrag und ihre großartigen Leistungen für die Gesellschaft und die Natur weiß.“ Trotz aller Mühen bewahrten sich die Tiroler Bergbauern ihre Liebe zur Natur und zu ihren Tieren. Dass sie diese Tiere schlachten und ihr Fleisch essen, ist für Bader kein Widerspruch, sondern vielmehr ein Zeichen ihrer Wertschätzung für die Tiere und deren Fleisch.