Qualifizierungstag "Erlebnis Bauernhof" auf dem Stettenhof
Ein gutes Gefühl mitgeben
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© Dr. Michael Ammich/AELF
Wozu auf einen Bauernhof gehen, das lässt sich doch alles im Fernsehen oder Smartphone anschauen? Eben nicht. Kein Fernseher und kein Smartphone können das Streicheln eines Kälbchens oder den Geruch von frischem Gras, von duftendem Heu, und ja, auch von Stallmist ersetzen.
Wer Kindern das Leben und Arbeiten auf einem Bauernhof und die Urproduktion von Lebensmitteln nahebringen will, braucht Fachwissen und pädagogisches Geschick. Mit einem Qualifizierungstag auf dem Stettenhof bei Mödingen machte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Nördlingen-Wertingen Bäuerinnen und Bauern aus Nordschwaben fit für das Programm „Erlebnis Bauernhof“.
Einfach aus dem Ärmel schütteln lassen sich die pädagogischen Konzepte für einen erlebnisreichen Schultag auf dem Bauernhof nicht, machte Kerstin Kranzfelder den Teilnehmenden des Qualifizierungstags klar. Am AELF Nördlingen-Wertingen ist sie für das Programm „Erlebnis Bauernhof“ zuständig. Sie weiß, welch verantwortungsvolle Aufgabe auf die künftigen Erlebnisbäuerinnen und -bauern wartet. Sie sollen den Schulkindern ein reales Bild von der modernen Landwirtschaft vermitteln, dazu noch Wissen zur Erzeugung der heimischen Lebensmittel und ein Bewusstsein für die eigene Verantwortung für Umwelt und Natur. Haben die Bäuerinnen und Bauern am Ende alles richtig gemacht, nehmen die Kinder von ihren Betrieben eine ganz neue Wertschätzung der bäuerlichen Arbeit mit nach Hause. "Damit leisten sie auch einen wichtigen Beitrag zum Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft", bekräftigt Kranzfelder.
Im Dienstgebiet 29 Erlebnis-Bauernhöfe
In den vergangenen elf Jahren haben in ganz Bayern 435.000 Schulkinder aus 22.000 Klassen am Programm „Erlebnis Bauernhof“ teilgenommen. Damit haben sich die landwirtschaftlichen Betriebe auch als außerschulische Lernorte etabliert. Im Landkreis Dillingen beteiligen sich derzeit zwölf, im Nachbarlandkreis Donau-Ries 17 bäuerliche Betriebe an dem Programm. Im Angebot stehen, je nach Art des Betriebs, verschiedene Module: Milch, Getreide, Wiese, Nutztiere, Landmaschinen oder auch der Beruf Landwirt. Damit ein Bauernhof teilnehmen kann, müssen sich die Betriebsleiter jedoch erst einmal für das Programm qualifizieren. Genau das taten sie am „Fittag“ auf dem Stettenhof.
Wichtiger Beitrag zur Bildung
Kerstin Kranzfelder und ihre am AELF-Standort Nördlingen für das Programm zu-ständige Kollegin Edith Auchter schilderten den Teilnehmenden, wie an einem Schultag auf dem Bauernhof die Kompetenzen der Schulkinder gefördert werden. Fragen stellen, Erkennen und Verstehen, Handeln und Umsetzen, Kommunizieren und Präsentieren, Reflektieren und Bewerten, eigenständig und mit anderen zusammenarbeiten sind die Bausteine des Erfolgs. "Die Erlebnisbäuerinnen und -bauern leisten einen wichtigen Beitrag zur Bildung", betonte Auchter. Sie habe noch nie ein Schulkind gesehen, das den Bauernhof nach einem Erlebnistag gern wieder verlassen hat.
Hafer quetschen und Kartoffeln ernten
Um das Gelernte in Arbeit umzusetzen, gibt es auf einem Bauernhof viele Möglichkeiten. Die Kinder können Hafer quetschen, Kartoffeln ernten, Felder begehen, eine gesunde Mahlzeit zubereiten oder auch Maschinen ansehen. Dazu richten die Erlebnisbäuerinnen und -bauern Anschauungsmaterial und verschiedene Stationen ein, die sie mit den Kindern abarbeiten. "Dabei gilt es nicht nur, all ihre Sinne anzusprechen, sondern auch den roten Faden im Auge zu behalten", erklärte Kerstin Kranzfelder.
Auf das gute Gefühl kommt es an
Sie erinnerte daran, dass der Mensch sein Wissen durch Hören um 20%, durch Sehen und Hören um 50%, durch den Dialog um 70 % und durch eigenes Tun um 90% erweitert. Das sei auf einem Bauernhof nur in einer entspannten und stressfreien Atmosphäre möglich. "Einfach nur labern, Hektik und Stress verbreiten und damit negativen Meinungen Vorschub leisten – das sind Tabus." Gefragt seien auf einem Erlebnisbauernhof Durchsetzungsfähigkeit, Authentizität, Organisations- und Improvisationstalent. Worauf es ankommt, fassten Auchter und Kranzfelder in einem kurzen Satz zusammen: "Ihr müsst die Kinder und ihre Lehrkräfte mit einem guten Gefühl gehen lassen."
Rechtlichen Rahmen beachten
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So viel zur pädagogischen Theorie. In der Praxis gilt es freilich auch den rechtlichen Rahmen für Schultage auf dem Bauernhof zu beachten. So sollten die Erlebnisbäuerinnen und -bauern über hygienische Vorschriften ebenso gut Bescheid wissen wie über die Anforderungen an die Sicherheit der Mädchen und Jungen auf dem Betrieb. Erste Grundkenntnisse vermittelten hier Kranzfelder und Auchter sowie Michael Wenni von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Erlebnisbäuerin Marion Reschnauer vom Stettenhof erläuterte, wie sie auf ihrem Betrieb die Themenfelder des Programms „Erlebnis Bauernhof“ fachlich und methodisch umsetzt.
Behördenleiter sagt Danke
Was ist ein Weltwunder?, fragte AELF-Chef Dr. Reinhard Bader in die Teilnehmerrunde. Für Schulkinder könnte dieses Wunder ein Bauernhof sein. Dabei handle es sich zwar nicht etwa um das höchste Gebäude der Welt, das nur tote Materie sei, dafür aber um einen Ort, an dem Wunder zu erleben seien wie die Geburt eines Kälbchens oder das Keimen eines Saatkorns, das später als Pflanze zum Lebensmittel wird. Außerdem könnten die Mädchen und Buben lernen, dass Tiere Fleisch. Milch oder Eier geben, wenn sie gut gepflegt und richtig gefüttert werden. "Wir sind es unseren Kindern schuldig, ihnen zu zeigen, woher ihre Lebensmittel kommen und wie sie produziert werden", sagte Bader. Der Behördenleiter dankte allen Teilnehmern des Qualifizierungstags, die ihre Betriebe für „Erlebnis Bauernhof“ zur Verfügung stellen wollen.
Ein Gewinn für uns alle
Für Edith Auchter und Kerstin Kranzfelder bleibt jetzt die Hoffnung, dass sich möglichst viele Teilnehmende nach dem Qualifizierungstag auch tatsächlich als Erlebnisbäuerinnen oder -bauern engagieren werden. "Das wäre ein Gewinn für uns alle, für die Gesellschaft, die Landwirtschaft und die Schulkinder als künftige Verbraucher." Den Gewinn für die Bäuerinnen und Bauern fasste die selbst teilnehmende Donau-Rieser Kreisbäuerin Nicole Binger zusammen: Die Bäuerinnen und Bauern müssten von der Opferrolle wegkommen. "Mit dem Programm Erlebnis Bauernhof zeigen wir, was wir können."