Erntepressegespräch des AELF Nördlingen-Wertingen auf dem Betrieb der Familie Binger
"Das Hochwasser wird wiederkommen"

Dr. Reinhard Bader und Richard Binger in GetreidefeldZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Klagten die Landwirte in Nordschwaben in den vergangenen Jahren oft über lange Trockenheits- und Hitzephasen, so hatten sie 2024 mehr als genug Niederschläge – bis hin zum verheerenden Hochwasser, das sich Ende Mai und Anfang Juni über das Donauried ergoss.

Mehr als 4000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche wurden allein im Donau-Ries-Kreis überflutet, vielerorts taugen das Viehfutter und die Nahrungsmittelkulturen allenfalls noch für die Biogasanlage. Vor diesem bedrückenden Hintergrund führte das AELF Nördlingen-Wertingen auf dem ebenfalls stark vom Hochwasser betroffenen Betrieb der Familie Binger in Mertingen sein alljährliches Erntepressegespräch durch.

Wie AELF-Chef Dr. Reinhard Bader eingangs feststellte, waren in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten 50 % mehr Niederschläge gefallen als im langjährigen Mittel. Doch nicht nur das Hochwasser macht den bäuerlichen Betrieben wie dem der Familie Binger zu schaffen. Auch der Ukrainekrieg führte zu Verwerfungen auf den Agrarmärkten. Anfangs machte der Krieg der deutschen Bevölkerung deutlich, dass die Vorräte an Getreide und Ölfrüchten begrenzt sind, so Bader. „Jetzt blickt die Verarbeitungsindustrie, bei der insbesondere die Zucker- und Kartoffelverarbeitung im Land-kreis Donau-Ries eine dominierende Rolle spielen, gespannt auf die Erntesituation.“ Insgesamt belaufe sich die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft im Donau-Ries-Kreis auf mehr als 100 Mio €.

Verlängerte Vegetationszeit
Von jeher sei die Landwirtschaft mit Wetterunbilden konfrontiert, sagte der Behördenleiter. Der Klimawandel sei eine wachsende Herausforderung auch für die Ausbildung und Beratung der Landwirte. Richte sich das Ziel in Trockenjahren auf eine möglichst wasserschonende Bodenbearbeitung, so gelte es in nassen Jahren wie heuer die Kulturen vor Pilzbefall zu schützen. „Zudem versucht die Landwirtschaft, die Resilienz der Böden gegen Wetterextreme zu steigern.“

Der hohe Anteil von Zwischenfrüchten in den landwirtschaftlichen Kulturen zeige, dass die Bauern einerseits versuchen, die Bö-den bedeckt zu halten, um sie vor Austrocknung und Erosion zu schützen. Andererseits werde der Boden durch den Zwischenfruchtanbau mit organischem Material angereichert, um sein Wasserhaltevermögen und den Erosionsschutz zu verbessern. Eine Folge des Klimawandels sei die verlängerte Vegetationszeit, durch die mehr Kohlenstoffdioxid gebunden und in den Böden angereichert werde.

Dr. Reinhard Bader und Johannes Binger in SonnenblumenfeldZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Landwirtschaftsschule ein Muss für Hofnachfolger
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund trage eine fundierte Ausbildung wesentlich zu einer erfolgreichen Betriebsführung bei, betonte Bader. „So wie Johannes Binger die Landwirtschaftsschule in Wertingen besucht hat und derzeit seine Meisterausbildung absolviert, ist eine gute Fachschulausbildung ein Muss für die angehenden Hofnachfolger.“
Johannes Binger und Erhard Würth in ZuckerrübenfeldZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

40 Hektar im Wasserschutzgebiet
Richard Binger stellte den Pressevertretern seinen konventionellen, viehlosen Ackerbaubetrieb vor, mit dem er und sein Sohn Johannes insgesamt 108 ha Nutzfläche bewirtschaften. Diese teilt sich auf in 33 ha Zuckerrüben, 29 ha Winterweizen, 12 ha Wintergerste, 11 ha Sommerweizen, 8 ha Hafer, 5 ha Dinkel, 2 ha Silomais und 1 ha Sonnenblumen. Auf 25 ha findet die Vermehrung von Saatgut statt. 2002 hat Richard Binger den Betrieb übernommen, in dem – ein enormer Bewirtschaftungsvorteil – sämtliche Flächen arrondiert sind. Wie Richard Binger erklärte, liegt seine komplette Nutzfläche im Trinkwassereinzugsgebiet der Gemeinde Mertingen, 40 ha davon in der Schutzgebietszone 2, in der keine organische Düngung erlaubt ist. „Das verlangt schon eine spezifische Bewirtschaftung“, sagte der Betriebsleiter. „Der Wasserschutz sollte mit den Landwirten gemacht werden und nicht über sie hinweg.“
90 % der Nutzfläche vom Hochwasser überflutet
Beim Junihochwasser wurden 90 % der Nutzfläche des Betriebs Binger überflutet. Teils standen die Zuckerrüben drei Tage lang unter Wasser. „Jetzt ist das Wasser weg und man sieht es den Rüben kaum mehr an“, wunderte sich Binger. Wo das Hochwasser schnell wieder abgelaufen sei, halte sich der Schaden an den Kulturen in Grenzen.
Johannes Binger und Erhard Würth mit ZuckerrübeZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Grundwasservorräte wieder aufgefüllt
Erhard Würth, Leiter der Abteilung Bildung und Beratung am AELF Nördlingen-Wertingen, wies drauf hin, dass Familien wie die Bingers durch die Einschränkungen bei der Düngung ihre Verantwortung für die gesamte Gesellschaft wahrnehmen. Durch die großen Niederschlagsmengen seien die Grundwasservorräte jetzt wieder aufgefüllt, Anfang Juli zeigten sich zumindest dort, wo sie vor dem Hochwasser verschont blieben, sehr schöne Bestände. Zur Aussaat der Winterungen im Herbst 2023 hätten optimale Witterungsbedingungen geherrscht, dann setzte recht früh der Schneefall ein, so dass die Zuckerrüben teils unter schwierigsten Bedingungen gerodet werden mussten.

Aufgrund der kühlen Temperaturen im Frühjahr 2024 habe sich der Mais recht langsam entwickelt, auch die Aussaat des Maises und die Auspflanzung der Kartoffeln habe sich verzögert. Durch die häufigen und starken Niederschläge im Mai und Juni kam es zu einem erhöhten Pilzbefallsdruck, der den Einsatz von Fungiziden erforderte. Zu-nehmende Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel gebe es beim Ackerfuchsschwanz und Weidelgras. Deshalb gelte es diese lästigen Beikräuter gezielt über die Fruchtfolge zu bekämpfen.

100 Hektar Totalausfall bei Zuckerrüben
Hervorragend aufgelaufen sind laut Würth der Raps und die Wintergerste, auch der Mais liefere schöne Bestände. Wo aber die Getreidewurzeln zwei bis drei Tage unter Hochwasser standen und deshalb unter Sauerstoffmangel litten, seien deutliche Ertragsausfälle zu erwarten. Außerdem leisteten die Niederschläge ihren Beitrag zur Verdichtung der Böden. Bei den Zuckerrüben rechnet Würth im Landkreis Donau-Ries für rund 100 ha mit einem Totalausfall. Aufgrund der Niederschläge erfolgte im Grünland der erste Schnitt sehr früh, die Heuernte gestaltete sich wegen der fehlenden niederschlagsfreien Zeitfenster schwierig. Mit Blick auf die vollen Läger erwartet Würth heu-er keine hohen Getreidepreise.
Nicole Binger und Friedrich Weng in SonnenblumenfeldZoombild vorhanden

© Dr. Michael Ammich/AELF

Angespannter Getreidemarkt
Der stellvertretende Donau-Rieser Kreisobmann Friedrich Weng beklagte die großen Getreidemengen aus der Ukraine, die in den Markt und damit auf die Preise drücken. Insbesondere die Preise für Wintergerste seien desaströs. „Der Getreidemarkt ist sehr angespannt.“ Bei den Ölfrüchten zeige sich dagegen ein ausgeglichener Markt mit stabilen Preisen. Nach einer langen Phase mit niedrigen Preisen habe die Zuckerrübe heuer zu einem Höhenflug angesetzt. „Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist es wichtig, möglichst breit aufgestellt zu sein“, betonte der Vizekreisobmann. „Sie müssen stets den Markt gut beobachten.“
Bauernverband fordert faire Entschädigung
Richard Binger bedauerte, dass die Hochwasserentschädigungen im Bereich der Zuckerrübe viel zu niedrig angesetzt seien, nachdem die Preise hier stark angestiegen sind. Er forderte deshalb eine Anpassung der Entschädigung. Seine Ehefrau und Kreisbäuerin Nicole Binger verlangte ebenfalls angepasste Hochwasserhilfen. „Sie müssen fair und genauso hoch wie der entstandene Schaden sein.“ Dabei gelte es auch die Spätfolgen des Hochwassers zu berücksichtigen. „Einmal Hochwasser kann ein landwirtschaftlicher Betrieb meistens noch aushalten, aber es ist keine Frage, dass die Hochwasser wiederkommen werden.“
Wie sich heuer die einzelnen Kulturen präsentieren, gab Helmut Stöcker vom AELF Nördlingen-Wertingen bekannt:
Weizen, Dinkel, Triticale, Wintergerste und Winterroggen
Bei normalen und späteren Saaten aufgrund der hohen Bodenfeuchte im Winter eher verhaltene Entwicklung. Ab Februar, auf schweren und staunassen Böden ab Anfang März sorgte abnehmende Bodenfeuchtigkeit für einen Entwicklungsschub. Herbizidresistenzen machten die Beikrautbekämpfung teils schwierig, verbreitet zeigten sich im Wintergetreide Schäden durch Feldmäuse und vor allem im Süden Nordschwabens Verzwergungsviren. Die hohen Niederschlagsmengen lassen zur Ernte mehr mit Fusarium belasteten Winterweizen erwarten. Das Hochwasser brachte viel Schmutz mit sich, so dass sich weite Teile der Getreidekulturen nicht mehr als Brotgetreide verwenden, sondern allenfalls noch in Biogasanlagen verwerten lassen. Insgesamt ist jedoch über alle Wintergetreidearten hinweg mit überdurchschnittlichen Erträgen zu rechnen.
Winterraps
Gute Saat- und Auflaufbedingungen. Starke Entwicklung von früh gesätem Raps er-forderte oft den Einsatz von Wachstumsreglern. Bei unterbliebener Bekämpfung stärkere Schäden durch Feldmäuse. Auftreten von Stängelrüsslern bereits im Februar. Aufgrund hoher Niederschlagsmengen im Mai stärkerer Krankheitsdruck durch Sclerotinia. Insgesamt lassen die Rapsbestände einen überdurchschnittlichen Ertrag erwarten.
Mais
Bei Aussaat vor Mitte April erfolgte zwar Keimung, jedoch verzögerte sich das Auflaufen. Bei Ausbringung von Wirtschaftsdüngern auf schwereren Böden Strukturschäden. Mechanische Beikrautbekämpfung häufig nicht zufriedenstellend. Auf vielen überfluteten Maisflächen Totalschäden. Ansonsten hervorragende Maisbestände und hohe Ertragserwartungen aufgrund der im Sommer noch hohen vorhandenen Wassermengen im Boden.
Zuckerrüben
Termingerechte Aussaat im März. Gleichmäßiges und zügiges Auflaufen, Reihenschluss bereits im Mai. Mechanische Beikrautbekämpfung nicht immer ausreichend erfolgreich. Aktuell sehr schöne Rübenbestände mit hoher Ertragserwartung. In Hochwasserbereichen ist verstärkt mit später Rübenfäule zu rechnen.
Kartoffeln
Pflanzgut heuer stark mit Viren befallen, allerdings bisher wenig Schäden aufgrund der niederschlagsreichen Witterung. Verstärkter Krankheitsdruck mit Kraut- und Knollenfäule. Beregnungen bis Mitte Juli nicht erforderlich. Bestände hervorragend entwickelt, hohe Erträge bei Speisefrühkartoffeln. Zügiges Absterben von überfluteten Kartoffel-beständen mit der Folge von Totalausfällen.
Erbsen, Ackerbohnen und Sojabohne
Aufgrund des guten Wasserangebots durchweg hervorragende Bestände. Erbsenkulturen vereinzelt durch Bodenstrukturschäden beeinträchtigt.
Dauergrünland und Feldfutterbau
Stärkerer Befall mit Feldmäusen zum Winterausgang. Wachstum setzte frühzeitig im März ein. Erster Silageschnitt im Grünland und Ackerfutter außergewöhnlich früh im letzten Aprildrittel. Hohe Erträge des Folgeschnitts im Mai aufgrund des üppigen Wasserangebots. Beim zweiten Schnitt wegen hoher Bodenfeuchte vermehrt Verdichtung der Böden durch die Erntemaschinen mit der Folge von Narbenschäden. Verspätete Heuernte durch Niederschläge im Mai und Juni. Weiterhin zügiges Wachstum im Dauergrünland und Feldfutter aufgrund des hohen Wasserangebots. Überschwemmtes Grünland häufig stark verschmutzt, so dass der Aufwuchs nicht mehr als Tierfutter verwendbar ist.
Struktur der Landwirtschaft im Donau-Ries-Kreis
2132 Betriebe, davon 195 (2023) ökologisch. Anteil Ökobetriebe: 9,14 %. Durch-schnittliche Betriebsgröße: 33,52 ha. Landwirtschaftliche Nutzfläche gesamt: 71.463 ha, davon 7423 ha (2023) ökologisch. Anteil Öko-Fläche: 10,39 %.
Anbauflächen: 13.134 ha Winterweizen, 5627 ha Wintergerste, 301 ha Sommergerste, 17.051 ha Mais, 1553 ha Winterraps, 3846 ha Zuckerrüben, 1315 ha Kartoffeln, 1361 ha Leguminosen, ca. 15.000 ha (2023) Zwischenfrüchte, 12.817 ha Dauergrünland.